Wird man durch Atmen high? Breathwork vs. Psychedelika - ein Vergleich

Die Menschheit kennt verschiedenste Techniken, um in erweiterte Bewusstseinszustände zu kommen. Viele davon haben eine lange Tradition:

  • Meditation,

  • Fasten,

  • lange Zeit in Dunkelheit (“Dunkel-Retreat”),

  • psychedelische Substanzen zu sich nehmen,

  • und eben spezifische Atem-Techniken.

Ziel ist immer, in Bewussteinszustände zu kommen, in denen wir unser logisches Denken in den Hintergrund stellen und so, in Abwesenheit unseres “monkey mind”, genau jene Themen hochkommen können, die wir in diesem Moment verarbeiten können und sollten. Breathwork und psychedelische Substanzen sind zwei Methoden, die sich in den letzten Jahren an neugefundener Beliebtheit erfreuen. Unter anderem liegt es wohl daran, dass beide Methoden in Minuten bis Stunden die gewünschten Zustände und Effekte hervorrufen. Bis man durch Meditation oder einem Retreat in einer dunklen Höhle ähnliche Zustände erreicht, dauert es meist deutlich länger. In diesem Artikel schauen wir uns die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Methoden an. Bevor wir damit starten, müssen wir jedoch spezifisch einschränken, welche Methoden wir dabei genau vergleichen wollen:

Breathwork: Hier sprechen wir in diesem Kontext von intensiveren Methoden, die tieferes und schnelleres Atmen über einen Zeitraum von 1-3 Stunden beinhalten. Beispiele dafür wären Holotropes Atmen und Neurodynamisches Atmen.

Psychedelika: Als Vergleich bieten sich klassische psychedelische Substanzen wie LSD, Psilocybin (der Wirkstoff in sogenannten “Zauberpilzen” oder “magic “mushrooms”) und MDMA (auch “Ecstacy”) genannt. Als Dosis gehen wir hier von einer Dosis aus, die einen richtigen “Trip” hervorruft, nicht nur Microdosing. Bei LSD wären das beispielsweise mindestens 100 Mikrogramm.

Ziel. Wie schon oben erwähnt, könnenn beide Methoden helfen, um in erweiterte Bewusstseinszustände zu kommen. Für die meisten Menschen ist das dahinter liegende Ziel, dadurch psychische Heilung zu erlangen. Diese kann eben dadurch entstehen, dass, in Abwesenheit unserer alltäglichen Gedanken unser Unterbewusstsein Themen an die Oberfläche spielt, die wir dann verarbeiten und auflösen können.

Allgemeiner Wirkmechanismus. Mittlerweile gibt es dafür auch eine naturwissenschaftliche, neurowissenschaftliche Erklärung: Konkret geht es hier um ein Netzwerk unterschiedlicher Regionen in unserem Gehirn, welches “Default Mode Netzwerk” - kurz DMN - genannt wird. Hier liegt etwa unsere Identifikation mit unserem “selbst” und unserem Ego. Psychedelische Substanzen, wie etwa Psilocybin, verringern nachgewiesener Maßen die Aktivität in diesem Gehirn und schalten so quasi unser Ego für einen gewissen Zeitraum aus. Es wird angenommen, dass dieser Mechanismus auch bei intensiveren Atemtechniken wie etwa Neurodynamisches oder Holotropes Atmen zur Anwendung kommt. Allgemein muss jedoch erwähnt werden, dass es hier leider bisher im Bereich Atemtechniken nur wenig belastbare Forschung gibt.

Effektivität. Die Wirkung von sowohl substanzbasierten als auch Atem-basierten Erfahrungen ist natürlich hochgradig subjektiv. Dennoch gibt es mittlerweile Methoden, die diese Erfahrungen versuchen zu quantifizieren. Eine davon ist der sogenannte “State of Consciousness Questionnaire” Fragebogen. Hier werden in unterschiedlichen Kategorien persönliche Erfahrungen abgefragt, unter anderem ob man eine “mystische” Erfahrung hatte. Es gibt hier eine Studie (siehe Screenshot), die Holotropes Atmen mit unterschiedlichen psychedelischen Substanzen verglich. Ergebnis: Holotropes Atmen ist ähnlich effektiv wie Ayahuasca sowie 10mg Psylocybin, jedoch weniger effektiv als höhere Dosen Psilocybin. Somit könnte man auch argumentieren, die Effektivität sei unterschiedlich, da sie naturgemäß sehr dosisabhängig ist.

Quelle: ˝A Comparison of different psychedelics and holotropic breathwork using the SCQ˝. April 2017, Conference: Psychedelic Science 2017

Dosis. Die Dosis bei Substanzen hängt natürlich davon ab, wie viel man einnimmt. Hat man die Substanz erstmal eingenommen, kann man sie nachträglich nicht mehr ändern. Dies ist bei einer Breathwork-Session naturgemäß anders: Du kannst die tiefe und Geschwindigkeit Deines Atems konstant selbst anpassen - somit auch die Intensität Deiner Erfahrung. So lässt sich eine schlechte Erfahrung auch, im Gegensatz zu psychedelischen Trips, sehr leicht stoppen (auch wenn es meistens aus therapeutischer Sicht hilfreicher wäre, die Erfahrung zu durchlaufen und nicht abzubrechen).

Dauer. Bei psychedelischen Reisen hängt die Dauer von der Art der Substanz und der Dosis ab. Typische Dauer der Sessions wären 4-6h für Psilocybin und 8-10h für LSD. Bei Breathwork kann man die Dauer hingegen selbst (ähnliche wie die Dosis, siehe voriger Punkt), bestimmen. Dabei dauern klassische Sessions zwischen 1 Stunde (etwa unsere online Sessions, siehe hier) und 3 Stunden beim Holotropen Atmen.

Loslassen. Je nach Dosis übernimmt die psychedelische Substanz das Loslassen für uns. Damit meinen wir, dass unsere Gedanken in den Hintergrund kommen und wir in einen meditativen Zustand kommen, wo das Unterbewusstsein aktiv wird. Während Breathwork-Sessions wie dem Neurodynamischen Atem hilft uns das schnellere und tiefere Atmen in diesen Zustand zu kommen. Die Intensität davon ist oft allerdings nicht so hoch, dass wir nicht auch “im Kopf” bleiben könnten. Somit hilft es meist, wenn man “aktiv” versucht, loszulassen - auch wenn das erstmal nach einem Widerspruch klingt. In unseren Workshops lernen wir dieses Loslassen als Teil des Prozesses. Dieses Loslassen ist dabei wie ein Muskel, je öfter man ihn trainiert, desto leichter fällt es einem dann auch.

Rechtlicher Status. Im Gegensatz zu Atemtechniken, sind die meisten psychedelischen Substanzen wie LSD, Psilocybin, Ayahuasca oder MDMA in vielen Ländern verboten. Auch wenn es gerade viele positive Studienergebnisse für die Anwendung dieser Substanzen gibt, wird die Aufhebung der Verbote wohl noch etwas dauern.

Fazit. Wird man also jetzt vom eigenen Atmen high oder nicht? Nun, diese Frage lässt sich meiner Meinung nach am Ende doch nur subjektiv beantworten. Ich persönlich finde würde mit “ja” antworten. Gleichzeitig ist dieses “high” aus meiner persönlichen Erfahrung tendenziell etwas weniger intensiv als bei psychedelischen Erfahrungen.

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